: Elementi di Forma (2000/2001) :
  hörprobe
für präpariertes Cello und digitale Manipulation
dauer: 13'  

elementi di forma - skizze

Für den elektronischen Teil des Stückes wurden mehr als 400 Samples mit dem Cellisten Francesco Dillon unter Verwendung einer speziellen Vorrichtung für Streichinstrumente eingespielt. Diese Vorrichtung wurde ’92 von Mario Bertoncini entwickelt und ein Jahr später unter dem Namen 'Stabdämpfer' patentiert.

Die Arbeit wirkt beim Hören – man schreibe es den üblichen dialektischen Windungen zu oder, genauer und plausibler, dem expliziten Willen des Komponisten, sich die absolute Kontrolle über seine Arbeit zu erhalten – die Arbeit wirkt also, wegen der mikrotonalen harmonischen Substanz und des Fehlens klar erkennbarer rhythmischer Figuren wie ein Beitrag zum Informellen.

Einer eingehenden Analyse aber eröffnet sich eine komplexe serielle Struktur, welche die Matrix des magischen Quadrats von Jupiter mit den ersten sechs Zahlen der numerischen Reihe Fibonaccis verbindet. Aufgrund der Tatsache, dass die Fibonacci-Reihe eine proportionale Verwandtschaft mit dem Zahlenverhältnis des Goldenen Schnitts aufweist, die Gesamtsumme der Zahlen im Quadrat Jupiters zusammengerechnet die Dauer des Stücks ergeben und ihrerseits eine kanonische Struktur aufweisen, mit der sich auch die entsprechenden Pausen berechnen lassen, lag es nahe, den austauschbaren Beziehungswert zwischen den instrumentalen Live-Abschnitten und dem Ablauf des aufgenommenen und bearbeiteten Materials ebenfalls nach den Proportionen des Goldenen Schnitts zu berechnen. Mehr noch: Etwa in der Mitte des Stücks entstehen durch die Verbindung von Live-Instrument und Aufnahme Kanon-Strukturen; diese und weitere Palindrome ziehen sich dann bis zum Ende durch.

Es wird wohl auch zu Protokoll gegeben werden müssen, dass sich auf der Ebene der Matrix eine dritte Dimension auftut: Die Anordnung der Buchstaben des Namens BACH, die auf drei Vierton-Gruppen übertragen insgesamt 12 verschiedene Töne hergeben, stellt in gewohnter Dialektik abermals den – unbestreitbaren! – informellen Gehalt des Stückes in Frage.

Eines sei noch angemerkt in Bezug auf die Verwendung der Zwölftontechnik und serieller Prozeduren: wenn es denn stimmt, dass das gesamte Werk sich eines mikrotonalen (i.e. auf nicht temperierten Intervallen basierenden) harmonischen Gewebes rühmen kann, so ist nicht weniger wahr, dass unsere Wahrnehmung eine absolute Würdigung der Drittel- und Viertel-Töne an sich nie zu erreichen vermag: Für den westlichen Musiker setzt der Viertelton über oder unter einer gegebenen Frequenz immer den Bezug auf eine bekannte Größe voraus – den temperierten Intervall.

Für die digitale Aufbereitung der Aufnahme habe ich mich, wie bereits betont, ausschließlich des “konkreten“ Klangs des Stabdämpfers Nr. 1 bedient, ohne die Verwendung
von Midi- oder synthetischen Verfahren.

Das Stück ist mit kleinen Unterbrechungen in der Zeit von Dezember 2000 bis Juni 2001 in einem privaten Studio entstanden; ohne die ständige unermüdliche Unterstützung des Studio-Inhabers, des Komponisten Christian Messer hätte ELEMENTI DI FORMA niemals die Form angenommen, die es nun hat.

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